Der Vagus-Nerv - Entspannung oder „Shutdown“
Der Vagus-Nerv spielt bei der Vitametik eine zentrale Rolle. Er ist Teil des vegetativen Nervensystems und zuständig für Entspannung. Er sorgt für Ruhe und Ausgeglichenheit. Wenn er nicht aktiviert ist, übernimmt sein Gegenspieler, der sogenannte Sympathikus die Regie. Dann empfinden wir Stress, Anspannung und Unruhe. Im schlimmsten Fall kann der Körper in eine Art „Shutdown“ geraten, was sich anfühlt, als wäre man erstarrt und wie gelähmt, unfähig sich zu konzentrieren und vernünftig zu handeln.
Neue Erkenntnisse der Hirnforschung
Die Polyvagal-Theorie nach Prof. Stephen Porges lässt eine erweiterte Sichtweise auf das Vegetativum zu. Er hat herausgefunden, dass der Vagus einen vorderen und einen hinteren Ast hat, wobei beiden unterschiedliche Reaktionsmuster zugrunde liegen. So fühlen wir uns ruhig, entspannt, offen und präsent, wenn der vordere Ast aktiviert ist – wir fühlen uns wohl und sicher. In Situationen, in denen wir Gefahr erkennen und unser Körper eigentlich wie in der Steinzeit auf Kampf oder Flucht programmiert ist, ist der Gegenspieler, der Sympathikus aktiviert. Das ist ein sehr wichtiger Vorgang, da wir durch diese Mobilisierung in Alarmbereitschaft versetzt werden und, wenn man es genau nimmt, die Menschheit ohne solche Reaktionsmuster nicht überlebt hätte.
Gibt es ein „Zuviel“ an Entspannung?
Prof. Porges zufolge kann es auch zu einer Überaktivierung des Vagus-Nervs kommen. Dann übernimmt der hintere Ast die Regie. Wir fühlen uns wie gelähmt, erstarrt, können kaum reagieren. Bei manchen Tieren bekannt durch den „Totstellreflex“. Solche Reaktionen können auch bei uns Menschen entstehen, wenn wir eine Trauma auslösende, lebensbedrohliche Situation erfahren. Im Laufe des Lebens erleben wir mehr oder weniger traumatisierende Ereignisse, im schlimmsten Fall werden anschließende Reaktionen medizinisch als sogenannte „posttraumatische Belastungsstörung“ diagnostiziert. Jedoch fassen wir im Allgemeinen den Begriff „lebensbedrohliche Situation“ gerne zu weit. Eine lebensbedrohliche Situation kann schon beim Säugling entstehen, wenn er sich zu lange allein gelassen fühlt, abends in seinem Bettchen alleine einschlafen soll und schreiend nach der Nähe seiner Bezugsperson sucht, jedoch irgendwann verzweifelt aufgibt und einschläft.
Wenn der „rote Knopf“ gedrückt wird
Der hintere Ast kann „getriggert“ werden, wenn wir in eine ähnliche Situation geraten, die wir als traumatisches Ereignis schon einmal empfunden haben. Obwohl wir uns objektiv gesehen in einer eigentlich sicheren, entspannten Situation befinden, kann uns ein kleiner Auslöser an ein traumatisches Erlebnis aus der Vergangenheit erinnern und wir würden am liebsten die Flucht ergreifen oder kämpfen (Sympathikus) oder geraten sogar in eine Art Schockstarre, sind unfähig uns zu äußern oder auch zu wehren (hinterer Vagus-Ast). Fast jeder kennt solche Situationen.
Das Gefühl von Sicherheit ist wichtig
Am wohlsten fühlen wir uns, wenn es eine ständige Pendelbewegung zwischen dem vorderen Vagus-Ast und dem Sympathikus gibt . Das heißt, wenn wir in uns einem angenehmen Spannungsfeld dieser beiden Anteile befinden. Also, wenn wir uns ruhig, entspannt und sicher, bzw. mobilisiert, herausgefordert und alarmbereit fühlen. Je stärker bzw. je öfter oder länger andauernd wir aus dieser Pendelbewegung in den Sympathikus oder gar in den hinteren Vagusast rutschen, desto ungesünder wird es für uns. Die Lebensfreude kann mehr und mehr verloren gehen. Das Herausrutschen aus dieser gesunden Pendelbewegung kann, neben den normalen Stressreaktionen, wie erhöhter Herzfrequenz und vermehrter Ausschüttung von Stresshormonen, weitreichende Folgen haben. Es treten mit höherer Wahrscheinlichkeit Muskelverspannungen, Schmerzen, Herzerkrankungen, Übergewicht, Diabetes oder Depressionen auf.
Zurück zur Normalität
Möglichkeiten, neben der Vitametik, wie wir wieder zu dieser optimalen Pendelbewegung kommen können, erfahren Sie in unserem nächsten Newsletter.